Im August 2021 hat die Bundesregierung mit der Änderung des Klimaschutzgesetztes das Ziel der Treibhausgasneutralität von Deutschland bis 2045 festgelegt. „In der Wissenschaft besteht Konsens, dass dieses Ziel ohne die aktive Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre nicht zu erreichen ist.“1 Den Hochrechnung zufolge bedeutet dies eine Entnahme von mehreren hundert Milliarden Tonnen CO2 2100, durch die sogenannten carbon-dioxide-removal-Strategien (CDR). Um CDR in dieser Größenordnung zu erreichen, bräuchte es eine umfangreiche und globale Umstrukturierung von Infrastrukturen und einen enormen Einsatz verschiedener CDR-Methoden. „Da für Ökosysteme, Gesellschaften oder die Wirtschaft durch diese Gegenmaßnahmen zum Klimawandel auch kritische Nebenwirkungen erwartet werden, muss der Blick geweitet werden: Forschung darf sich nicht auf die reine Technologieentwicklung beschränken.“1 Klar sollte sein, dass CDR, eben so wie jeder andere Ansatz zur Klimamilderung keine ultimative Lösung für die Klimakrise bietet. Keine der CDR-Methoden bietet in absehbarer Zeit die Umsetzbarkeit und nötigen Ergebnisse, die es bräuchte, um allein für das Erreichen der Klimaziele zu sorgen. Sie sind vielmehr ein weiterer wichtiger Bestandteil eines umfangreichen Portfolios an Klimamilderungsstrategien, aus welchem wir schöpfen müssen, um die Klimaziele letztendlich nicht zu verfehlen.
Kohlenstoffspeicherung in Pflanzen
Der offensichtlichste natürliche Ansatz stellt die Speicherung von CO2 in Pflanzen dar. Ein
wichtiger Aspekt ist hierbei die Wiederaufforstung, sowie der besondere Schutz von noch
bestehenden Wäldern. Die Bepflanzung von Gebieten mit stark CO2 speichernden Bäumen und
Pflanzen, welche besonders gut an die neuen klimatischen Bedingungen angepasst sind, spielen
hierbei eine zentrale Rolle.
Moore verwässern
Weit weniger im Zentrum der Diskussion steht das Verwässern von Mooren, „obwohl es in seiner
Funktion als Kohlenstoffspeicher in Hinblick auf die Effizienz Wälder sogar überholt.“2
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Landwirtschaftliche Umstrukturierung
Von zentraler Bedeutung ist auch die Umstrukturierung von landwirtschaftlich genutzten Flächen,
da Böden auch sehr gut Kohlenstoffspeicher sind.3 Derzeitig vorherrschend ist die
Landwirtschaft mit Tendenz zu Monokulturen und starkem Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel,
welche stark abweicht von den natürlichen Ökosystemen. Die Folgen sind ein starker Artenverlust
und nährstoffarme Böden. Zu empfehlen wäre die Umstrukturierung von landwirtschaftlich genutzten
Flächen in produktivere sich selbst erhaltende Ökosysteme, welche Vielfalt und Dauerhaftigkeit
garantieren. Ein Ansatz bietet beispielsweise das Prinzip der Permakultur, was übersetzt
„dauerhafte Landwirtschaft“ bedeutet und oben genannte Vorteile restlos erfüllt.6 Ein
ähnlicher Ansatz, nur mit einem anderen Namen ist die Agroforstwirtschaft. Eine
Landnutzungsform, welche den Nutzpflanzenanbau, die Anpflanzung von Bäumen und manchmal auch die
Tierhaltung verbindet. Durch die Kombination „kann die CO2-Aufnahme in Pflanzen erhöht und
gleichzeitig die Biodiversität gefördert werden“.1
Direct-air-capture
Die wohl bekannteste und auch vielversprechendste technische Methode, ist die direkte Filterung von
CO2 aus der Luft, allgemein bekannt als direct-air-capture (DAC). Die größte DAC-Anlage heißt Orca
und wird von dem Schweizer Unternehmen Climeworks auf Island betrieben.5 Orca kann derzeit ca.
4000 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft filtern. Ihre neue Anlage Mammoth soll 2024 in Betrieb
genommen werden und soll es auf rund 36.000 Tonnen CO2 pro Jahr bringen.5 Trotz rasanter
Entwicklungsfortschritte der Technologie wird beim Vergleich von den derzeit erbrachten und
benötigten CDR-Werten klar, dass drastische Reduzierungen der CO2 Emissionen gepaart mit dem Einsatz
vieler verschiedener Klimamilderungsstrategien, die einige Chance auf das Erreichen der Klimaziele
bietet.
Kohlenstoffmineralisierung
Einige Mineralien reagieren natürlicherweise mit CO2, wodurch es an den Feststoff gebunden wird.
Dieser Prozess wird gemeinhin als Kohlenstoffmineralisierung oder Verwitterung bezeichnet und ist
ein mehrere hundert bis tausend Jahre andauernder Prozess.3 Durch technische Hilfe kann dieser
Prozess beschleunigt werden, „indem Gesteinsmehl auf Ackerböden ausgebracht wird.“1
Bio-energy with Carbon Capture and Storage (BECCS)
Diese Methode zielt darauf ab, das bei der Produktion von Energie aus Biomasse entstehende CO2
aufzufangen und entweder zu speichern oder wiederzuverwenden. Aus neuen Ansätzen zur Entwicklung von
Kraftstoffen aus Biomasse (biomass-to-liquid (BtL)) oder direkt aus CO2 und Wasser mit Hilfe von
Sonnenenergie (power-to-liquid (PtL)), können interessante Kombinationen und Netzwerke der
Kohlenstoffverwertung entstehen. Hier klicken und auf der auftauchenden Seite nach unten scrollen,
um zum Beitrag „Grünes Kerosin“ zu gelangen.
Kohlenstoffspeicherung im Meer
Rund 70 % der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt, was die Überlegung nahelegt, über landbezogene
Anwendungen zum CDR hinauszugehen. Ein wichtiger Ansatz dazu ist die marine Aufforstung, wenn man so
sagen möchte, also die Förderung und auch der Schutz von photosynthese-betreibenden Lebewesen im
Meer. Schätzungsweise mehr als 50% des atmosphärischen Sauerstoffs von marinen
photosynthese-betreibenden Mikroorganismen produziert.7 Zusammen mit allen Küstenpflanzen und
Algen, setzt dieses sogenannte Phytoplankton also eine größere Menge CO2 um als landlebende
Pflanzen. Eine künstliche Düngung ist nicht empfehlenswert, da die Veränderungen zu drastisch sein
könnten und die Folgen derzeit nicht durch kleinräumige Experimente abschätzbar sind. Die natürliche
Düngung durch die Regeneration und den besonderen Schutz großer Meerestiere hat viele Vorteile,
welche gerne in dem dazugehörigen Artikel über marine biomass regeneration nachgelesen werden
können.
1. Salter S, Sortino G, Latham J. Sea-going hardware for the cloud albedo method of reversing
global warming. Philos Trans A Math Phys Eng Sci. 2008 Nov 13;366(1882):3989-4006. doi:
10.1098/rsta.2008.0136. PMID: 18757273.
2. Jones, A., Haywood, J., and Boucher, O. (2009), Climate impacts of geoengineering marine
stratocumulus clouds, J. Geophys. Res., 114, D10106, doi:10.1029/2008JD011450.
3. Latham J, Bower K, Choularton T, Coe H, Connolly P, Cooper G, Craft T, Foster J, Gadian A,
Galbraith L, Iacovides H, Johnston D, Launder B, Leslie B, Meyer J, Neukermans A, Ormond B,
Parkes B, Rasch P, Rush J, Salter S, Stevenson T, Wang H, Wang Q, Wood R. Marine cloud
brightening. Philos Trans A Math Phys Eng Sci. 2012 Sep 13;370(1974):4217-62. doi:
10.1098/rsta.2012.0086. PMID: 22869798; PMCID: PMC3405666
Thomas Dandekar
Member of the first board of directors
Chair of Bioinformatics
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Eva-Maria Fischer
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